„Ich würde es wieder tun!“ : Anna Nickel und das Bibliotheksreferendariat

Mittlerer, gehobener, höherer Dienst? Ich dachte früher, Bibliothekar ist Bibliothekar und damit hat es sich. Nach einem Informationsgespräch im Arbeitsamt anno … lassen wir das, fühlte ich mich noch verwirrter. Da ging es um Laufbahnprüfungen, beamtenrechtlichen Vorbereitungsdienst und ähnliche Ausdrücke, die allesamt eher dazu angetan waren, abzuschrecken als neugierig zu machen. Aber wie man sieht, ich bin trotzdem hier und sehr froh darüber.
Und allen, die sich für den Beruf der Bibliothekarin oder des Bibliothekars interessieren, sei verraten, dass die Bibliothek zum 01.10.2013 ein Bibliotheksreferendariat anbietet. Gesucht werden Bewerberinnen und Bewerber mit abgeschlossenem Studium im Bereich Naturwissenschaften, Mathematik oder Psychologie.
Mehr Infos zur Ausschreibung gibt’s unter Informationen für Stellensuchende auf den Seiten der Uni Kassel.

Was es mit dem Bibliotheksreferendariat auf sich hat, kann uns keine besser und gleichzeitig liebenswerter erklären, als unsere derzeitige Referendarin Anna Nickel, die mir für die folgenden Fragen Rede und Antwort gestanden hat:

So sieht die Bibliothekarin von morgen aus: Anna Nickel hat viel zu tun.

So sieht die Bibliothekarin von morgen aus: Anna Nickel hat viel zu tun.

Liebe Anna, wie und wann bist du auf die Idee gekommen, Bibliothekarin des höheren Dienstes zu werden?
Das war im Dezember 2010. Ich jobbte während meines Architekturstudiums an der TU Darmstadt als Hilfskraft in der Institutsbibliothek für Kunstgeschichte und klassische Archäologie und fand die Arbeit dort richtig gut. Zu der Zeit wusste ich nichts von der Möglichkeit, mit abgeschlossenem Studium in einer Bibliothek zu arbeiten. Darüber wurde ich von der dortigen Bibliotheksleiterin informiert. Und genau zum selben Zeitpunkt starteten die Ausschreibungen für Referendariatsstellen an hessischen Bibliotheken. Da bewarb ich mich, obwohl ich mit meinem Studium erst im August des Folgejahres fertig werden sollte. Kassel suchte einen Bewerber mit abgeschlossenem Hochschulstudium in Architektur oder einer Ingenieurwissenschaft. Alles passte, und hier bin ich.

Woher hast du weitere Informationen über das Referendariat erhalten?
Zuerst hab ich im Internet gesucht und mir z.B. den Wikipedia-Artikel angeschaut. Dann war ich natürlich auf der Homepage der Uni-Bibliothek Kassel. Dort stehen einige Informationen zur Ausbildung. Auch bat ich um ein Gespräch mit dem Fachreferenten für Architektur an der Darmstädter Uni-Bibliothek.

Die Ausbildung besteht aus einem praktischen Teil, den du hier in Kassel absolvierst und einem Master-Studiengang, der in Berlin stattfindet. Wie verläuft die Aufteilung dieser beiden Teile?
Im ersten Jahr der Ausbildung lernt man alle Bibliotheksbereiche kennen, von Bucherwerb über Ausleihe bis hin zur IT-Abteilung. Der Schwerpunkt aber liegt naturgemäß auf dem Fachreferat und seinen Tätigkeiten.

Was ist das, ein Fachreferat?
Der Fachreferent ist für Aufbau und Pflege des Buch- und Informationsbestandes zuständig, häufig in dem Fach, das seinem Studienabschluss entspricht. Zusätzlich erhält er aber auch noch „fremde“ Fächer dazu. Oft übernimmt er darüber hinaus Führungsaufgaben, beschäftigt sich mit neuen digitalen Medien und beobachtet die Entwicklung der digitalen Welt. Und er ist Vermittler zwischen der Bibliothek und den Wissenschaftlern an seiner Universität.

Und die Theorie?
Die Theorie ist innerhalb des zweijährigen Referendariats in Module eingebettet und hat den Charakter eines Fernstudiums. So fährt man einmal im Monat für ca. drei Tage nach Berlin, in der Regel von Donnerstag bis Samstag und hört dort Vorlesungen, hält Referate und besucht Wahlpflichtmodule. Die Veranstaltungen finden freitags zwischen 10.00 und 17.30 Uhr und samstags zwischen 8.00 und 15.15 Uhr statt.

Wie empfindest du die Belastung, zusätzlich zur Ausbildung noch ein Studium absolvieren zu müssen?
Wenn ich nur einmal im Monat nach Berlin fahren muss, dann ist es okay. Muss ich zweimal monatlich fahren, was gelegentlich vorkommt, entstehen schon größere Belastungen, allein durch das Pendeln. Und: das hessische Modul sieht zusätzlich zu dem theoretischen Teil in Berlin noch einen praxisbegleitenden Untericht in hessischen Bibliotheken vor, der ein- bis zweimal pro Monat in Frankfurt, Darmstadt und Gießen angeboten wird.
Ansonsten muss man sagen, dass im Ausbildungsplan Möglichkeiten der Vor- und Nacharbeit verankert werden, so dass man die Gelegenheit hat, sich in der Bibliothek auf die Vorlesungen vorzubereiten.

anna

Viel Arbeit: der Beruf des Bibliothekars ist kein easy going

Und der Abschluss?
Am Ende des Referendariats gibt es eine Prüfung. In Hessen sind das drei Klausuren und eine mündliche Prüfung. Zusätzlich kann in Berlin der Master erworben werden, mit Masterarbeit und mündlicher Verteidigung.

Was gefällt dir besonders, worauf könntest du gut verzichten?
Der Bucherwerb und seine Systematisierung sind klasse, aber das ist ja auch klar, weil ich dort mit meinen Fächern arbeiten darf. Auch der Umgang mit E-Books ist spannend. Und es fasziniert mich zu beobachten, welche neuen Möglichkeiten sich durch die Entwicklung der digitalen Welt im Bibliotheksbereich auftun. Grundsätzlich ist es ein sehr abwechslungsreicher Beruf.

Worauf ich verzichten könnte? In Berlin gibt es durchaus manche Vorlesungen, die wahnsinnig theoretisch sind. Da fragt man sich, wie man die Inhalte mit der Praxis in Einklang bringen soll.

Worauf freust du dich bei deiner späteren Tätigkeit am meisten?
Ich freu mich darauf, meine Aufgaben selbständig organisieren zu können. Und darauf, eigene Ideen umzusetzen und in Projekten zu verwirklichen. Ich würde gern personalverantwortlich arbeiten. Und gern an eine Universitätsbibliothek gehen. Kleine Spezial- oder Forschungsbibliotheken oder die Arbeit an einer Öffentlichen Bibliothek, ich glaube, das wäre nichts für mich.

Würdest du es wieder tun?
Auf jeden Fall!

Gibt es noch etwas, dass du Interessenten sagen möchtest? Was sollten Leute wissen, die sich für die Arbeit in einer Bibliothek interessieren?
Die Bibliothek ist nicht mehr das „verstaubte Gebilde“, sondern mittlerweile ziemlich IT-lastig geworden. Alles in allem viel moderner, als man denkt. Und: man sollte sich als Bewerber darüber im klaren sein, dass man evtl. später kaum oder wenig im eigenen Fach arbeitet, sondern mitunter auch andere Führungsaufgaben zugeteilt bekommt.

Liebe Anna, vielen Dank für das Gespräch!

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