UB Kassel erhält Rosenzweig-Erstausgabe mit Widmungsbrief

Wenige Tage vor dem 130. Geburtstag des jüdischen Religionsphilosophen Franz Rosenzweig hat die Universitätsbibliothek Kassel ein bedeutendes Exemplar  seines zentralen Werks ‚Stern der Erlösung‘ zum Geschenk erhalten. Der einem Freund und Verwandten gewidmete Band hat eine besondere Bedeutung im Zusammenhang mit den religionsphilosophischen Reflexionen des in Kassel aufgewachsenen Rosenzweig.

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Franz Rosenzweig, Stern der Erlösung, Erstausgabe 1921 und Widmungsbrief

 Es handelt sich um jenes Exemplar des Buches, das Franz Rosenzweig (25. Dezember 1886 bis  10. Dezember 1929) am 10. März 1921 mit Widmung und ausführlichem Begleitbrief an seinen Cousin und engen Vertrauten Rudolf Ehrenberg übersandt hatte. Buch und Brief wurden der Bibliothek auf Vermittlung der Kasseler Rosenzweig-Kennerin Barbara Dierichs von der Tochter Ehrenbergs, Prof. Dr. Maria Ehrenberg, übergeben.

Ehrenberg war ein wichtiger Gesprächspartner Rosenzweigs in dessen Ringen um seinen Glauben. Nach einer Phase starker intellektueller und persönlicher Spannungen näherten sich beide mit dem Geschenk Rosenzweigs an Ehrenberg wieder an: Bald nach dem Erscheinen sandte Rosenzweig ein Exemplar seines Buches an seinen Freund und Verwandten, begleitet von einem versöhnlichen Brief, in dem er seine enge intellektuelle und persönliche Bindung an Ehrenberg zum Ausdruck brachte: „nur weil du … bist, kann ich … sein“..  Rudolf Ehrenberg antwortete am 12. März 1921, dass er Rosenzweigs Brief vorne in den Stern eingeklebt habe: „so ist er ganz mein Exemplar geworden, das ich keinem anderen in die Hand geben kann.“

Mehr als 45 Jahre nach dem Tod ihres Vaters hat die inzwischen 97-jährige Maria Ehrenberg sich nun dazu entschlossen, dieses besondere Buch aus der Hand zu geben. „Die großzügige Geste bereichert den von der Universitätsbibliothek Kassel aufbewahrten Nachlass Rosenzweigs um ein einzigartiges Stück. Es bezeugt die Freundschaft zweier großer Persönlichkeiten des christlich-jüdischen Dialogs“, erklärt der Leitende Bibliotheksdirektor Dr. Axel Halle. „Dieses Dokument für die Forschung zugänglich und allgemein nutzbar zu machen, ist ein großes Anliegen unseres Hauses“, so Dr. Brigitte Pfeil, Leiterin der Sondersammlungen.

Rudolf Ehrenberg (1884-1969) war im Sommer/Herbst 1913 neben Eugen Rosenstock (1888-1973) einer der wichtigsten Gesprächspartner im Ringen Rosenzweigs um die Frage seines Glaubens. Aus dem so genannten „Leipziger Nachtgespräch“ dieser drei am 7. Juli 1913 erwuchs Rosenzweigs Entscheidung gegen die Konversion zum Christentum und für ein entschieden jüdisch-religiöses Leben. Der als Kind getaufte Ehrenberg war seit 1907/08, als beide in Berlin studierten, ein enger brüderlicher Vertrauter für Rosenzweig geworden. Vor allem im jahrelangen mündlichen und brieflichen Austausch manifestiert sich das intellektuelle und praktische Ringen beider um Wahrheit und Wahrhaftigkeit des Denkens, Lebens und Glaubens als Jude bzw. Christ, das mit der Abfassung des Sterns der Erlösung seinen Höhepunkt erreichte. Franz Rosenzweig selbst bezeichnete einen seiner Briefe an Rudolf Ehrenberg vom November 1917 als „Urzelle“, aus der heraus sich der fertige Text des Sterns ins Buchhafte entwickelt habe. Zudem widmete er Ehrenberg das dritte Buch des Sterns, in dessen Zentrum die Frage nach dem Verhältnis zwischen Juden- und Christentum steht.

Der Stern der Erlösung entstand zwischen August 1918 und Februar 1919 während Rosenzweigs Kriegseinsatz in Makedonien, der Garnisonszeit in Freiburg und seinen Besuchen im Kasseler Elternhaus. Der Erstdruck selbst erschien erst im Februar 1921 im dezidiert jüdischen Frankfurter Verlag Kauffmann. Rudolf Ehrenbergs Exemplar des Sterns der Erlösung und der Widmungsbrief Rosenzweigs sind über das Online-Archiv ORKA der Universität Kassel weltweit kostenfrei verfügbar.

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