Über Jahrhunderte galten Archive als Arcanum, in dem das Geheimwissen des Souveräns verwahrt wurde. Jeder Nutzung ging ein Bittgesuch voraus, Findmittel waren der Verwaltung vorbehalten. Die Onlinestellung der Erschließungsdaten bildet einen ersten Schritt Richtung Öffnung der Archive. Mit einem im September 2024 abgeschlossenen Retrokonversionsprojekt packt das UniArchiv die digitale Transformation an und stellt Transparenz für Nutzende her.
Retrokonversion statt Ersterschließung
Das junge UniArchiv wurde erst 2023 hauptamtlich besetzt. Mit der Leitung übernahm Dr. Peter Wegenschimmel die Verantwortung für 700 laufende Meter, die zum Teil aus einem Depositum im Staatsarchiv Marburg rückgeführt wurden. Ein Leitziel des Aufbauprojekts war die zeitnahe Zugänglichmachung dieses Grundstocks in Arcinsys. Statt einer aufwendigen Ersterschließung entschied das Team zugunsten einer Aufbereitung der Findmittel der Registratur. Bei genauerer Betrachtung beinhaltete diese Retrokonversion weit mehr als die technische Überführung einer unstrukturierten Worddatei in eine Datenbank. Erster Meilenstein war die Erstellung einer Tektonik zur Ordnung des Archivguts. In Anlehnung an das Dokumentationsprofil für Archive wissenschaftlicher Hochschulen wurden acht funktionale Überlieferungsbereiche als Bestände definiert: Gremien, Organisation, Personal, Studium, Finanzen, Kontakte, Bau und Infrastruktur. Um die Akten einem dieser Bestände zuordnen zu können, mussten im nächsten Schritt (in Ausnahmen per Autopsie) die Provenienzstellen ermittelt werden. Vor dem Import der neu geordneten Bestandsverzeichnisse über eine XML-Datei in Arcinsys wurden die Daten nach Möglichkeit bereinigt: Titel wurden vereinheitlicht, Kürzel aufgelöst und Serien zusammengefasst. Zudem wurden die historischen Bestandssignaturen, die aus der Systematik des Staatsarchivs Marburg herrühren, durch neue, an die Suchgewohnheiten bibliothekarischer Nutzer*innen angepasste sprechende Siglen ersetzt.
Aktive GND-Anreicherung
Als besondere Herausforderung erlebten die Projektbeteiligten die Zuordnung der Akten. Mittels eines Thesaurus wurden alle gefundenen Provenienzstellen aufgelistet und zu Provenienzfamilien zusammengefasst. Dieses Verfahren ist aufwendig, hat aber Vorzüge wie die Normierung der Provenienzstellen, eine eindeutige Zuordenbarkeit sowie die Einhaltung des Provenienzprinzips bei gleichzeitiger Einführung einer funktionalen Tektonik. Die Standardisierung der Provenienzstellen bildete auch die Voraussetzung für ein integriertes Teilprojekt zur GND-Anreicherung. In Kooperation mit der Universitätsbibliothek konnten alle Provenienzstellen der Zentralen Verwaltung in der Gemeinsamen Normdatei (GND) angelegt werden. Als Quelle für neue GND-Datensätze diente die jeweilige Arcinsys-Detailseite des Bestands, auf der das Team des UniArchivs Namen und Laufzeiten der Provenienzstellen erfasste. Der Mehrwert dieses Teilprojekts besteht in der verbesserten Auffindbarkeit, der eindeutigen Identifizierbarkeit sowie einer höheren Vernetzbarkeit der Erschließungsdatensätze. Die verdichtete, systematisierte und historisierte Darstellung der Universität Kassel in der GND stellt einen spartenspezifischen Mehrwert der Archive für die Normdatei dar. Die GND-Anreicherung am UniArchiv bleibt bislang auf die Provenienzstellen beschränkt, eine Sacherschließung von Personen oder Schlagworten wird noch nicht umgesetzt.
Prozess digitaler Transformation
Die Retrokonversion von Findmitteln der Registratur ist archivisch gesehen ein quick-and-dirty-Verfahren; Abstriche in der Datenqualität sind unausweichlich. Die Mängel betreffen die Erschließungstiefe, insbesondere die Aktentitel, Laufzeiten und Aktenzeichen. Eine Nacherschließung gemäß transparenter Priorisierungskriterien und Erschließungsrichtlinie ist ab 2025 anberaumt. Die Folgearbeiten einer Nacherschließung und einer Ausweitung der GND-Anreicherung auf andere Entitäten verdeutlichen den prozesshaften Charakter eines zeitgemäßen Erschließungsmanagements. Die digitale Transformation der Geschäftsprozesse des UniArchivs erinnert gleichermaßen an einen Langstreckenlauf mit dem Ziel einer zeitgemäßen Informationsstruktur. Auf den Meilenstein der Online-Veröffentlichung der Findmittel folgen Maßnahmen zur Präsentation von Digitalisaten, zur automatisierten Übernahme von digitalen Ressourcen und zur Vernetzung archivischer Metadaten.
Kurzanleitung zum Navigieren in Arcinsys
Die Bestände des UniArchivs können unter Arcinsys recherchiert werden. Wie finden Sie sich in Arcinsys zurecht? Als klassisches Archivinformationssystem ist Arcinsys hierarchisch aufgebaut. Im Navigator (links) können Sie das Archiv, für dessen Bestände Sie sich interessieren, auswählen. Das UniArchiv finden Sie unter dem Gliederungspunkt „Universitätsarchive“. Hier der Quicklink zur Tektonik des UniArchivs. Wenn Sie den Gliederungspunkt „Leiten und Verwalten“ auswählen, werden Ihnen die acht Bestände der Zentralen Verwaltung angezeigt. Unter den einzelnen Beständen finden Sie Verzeichnungseinheiten mit einer eindeutigen Signatur. Nach einer Anmeldung können diese in Arcinsys bestellt und in unserem Lesesaal in der Campusbibliothek eingesehen werden. Bitte vereinbaren Sie per Mail oder telefonisch einen Termin. Falls Sie Probleme bei der Recherche in Arcinsys oder Fragen zu unseren Beständen haben, probieren Sie das Tutorial des Hessischen Landesarchivs … und zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.
Mehr Infos zum UniArchiv gibt es unter: https://www.uni-kassel.de/ub/uniarchiv
Ein Beitrag von Dr. Peter Wegenschimmel, Leiter des UniArchivs Kassel
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