Ein Kommentar zur Preispolitik der großen Wissenschaftsverlage von
Dr. Axel Halle (Ltd. Bibliotheksdirektor):
Die Universitätsbibliothek Kassel (UB) stellt ihren Hochschulangehörigen die Zeitschriften der großen Wissenschaftsverlage wie Elsevier, Springer und Wiley online zur Verfügung. Die Zeitschriften dieser Verlage gelten für Wissenschaftler als unverzichtbar. Deswegen gehören diese Verlage zu den profitabelsten Unternehmen weltweit mit Renditen jährlich um 30 Prozent. Wegen ihrer unzweifelhaften Bedeutung für die wissenschaftliche Kommunikation können sie seit den 1990er Jahren Preissteigerungen von jährlich um 5 Prozent durchsetzen. Was die Aktienbesitzer und Investoren erfreut, führt zu einer Finanzierungskrise bei den Universitäts-bibliotheken. Denn abgesehen von notwendigen Etatzuwächsen zur Verbesserung der studentischen Literaturversorgung (QSL, HSP 2020) bleibt immer weniger Geld für wissenschaftliche Monografien und kleinere Zeitschriftenverlage. Allein für die drei genannten Verlage gab die UB Kassel 2011: 497.083 Euro, 2015: 592.596 Euro aus.
Was macht diese Verlage so erfolgreich? Vordergründig argumentiert, sichern die Verlage die Qualität, in vielen Disziplinen gemessen in so genannten Impact Faktoren. Für die Wissenschaftler ist entscheidend, dass sie ihre Publikationen in den angesehensten Zeitschriften veröffentlichen. Die Qualitätssicherung übernehmen dabei die Wissenschaftler selbst, einerseits als Autoren, die kostenfrei ihre Artikel liefern, andererseits als Herausgeber oder Gutachter, die Auswahl unter den eingereichten Artikeln treffen. Das wäre alles mehr oder weniger akzeptabel, wenn die Verlage bei der Preisgestaltung auf die mangelnde Zahlungskraft ihrer Kunden, in diesem Fall die Hochschulbibliotheken, Rücksicht nehmen würden und den Kostenvorteil, den sie durch unentgeltliche Arbeit ihrer wissenschaftlichen Autoren, Herausgeber und Gutachter erhalten, an diese oder die Hochschulbibliotheken zurückgeben würden. Dies geschieht jedoch nicht.
Warum spielen Wissenschaftler und Bibliotheken bei diesem Spiel mit? Die Wissenschaftler benötigen den Zugang zu den besten Zeitschriften, um kontinuierlich auf der Höhe der Forschung zu bleiben. Als Autoren, Herausgeber und Gutachter tauschen Sie unentgeltlich ihre Arbeitszeit gegen Reputation. Und diese Zeche muss dann die Universitätsbibliothek zahlen, die als schlechte Dienstleisterin dasteht, wenn sie sich bei stagnierendem Etat und stark steigenden Abonnementskosten die Produkte des einen oder anderen Verlages nicht mehr leisten kann.
Wenn bestimmte Politiker oder Verlagsvertreter die Open Access-Bewegung diskreditieren wollen, sprechen sie von einer „Mentalität des Freibiers für alle“. Dies entspricht allerdings in Wahrheit eher dem oben dargestellten Verlagsvorgehen: Da sitzen Kunden (Wissenschaftler), nachdem sie für die Brauerei (den Verlag) kostenfrei gebraut haben, in der Kneipe (Universität) und verlangen von ihrem Wirt (der Bibliothek) Freibier, obwohl dieser der Brauerei das Bier zu überteuerten Preisen abkaufen muss.
Um im Bild zu bleiben: während die Einen (Autoren) vom Bier abhängig werden, melden immer mehr Wirte Konkurs an, und nur die reichsten können sich dieses System, das mit Marktwirtschaft nichts zu tun hat, noch eine Zeit lang leisten.