Das wissenschaftliche Schreiben hat so seine eigenen Tücken. Wenn man in einer fremden Sprache Texte verfasst, kommen interkulturelle Irritationen dazu. Die aus Sibirien stammende Schreibforscherin Dr. Marina Adams bietet an der Uni Kassel einen besonderen Service an. Sie berät internationale Studierende bei ihrer wissenschaftlichen Textproduktion. Zusammen mit Frau Anh To steht sie auch in der Langen Schreibnacht am 19./20. Juli in der Unibibliothek für die Schreibberatung zur Verfügung (Arbeitsraum BB1, Raumnummer 0118 im Erdgeschoss).
Für den UB-Blog hat Marina Adams ihre persönlichen Schreiberfahrungen und ein Beispiel kulturbezogener Schreibprobleme notiert:
Meine Schreiberfahrungen
„Deine Texte lesen sich wie Texte eines Muttersprachlers, der noch Schreibkurse besucht hat!“ – Dieser Kommentar einer Kollegin, die meine erste große akademische Arbeit, eine Magisterarbeit, korrekturgelesen hat, war der subjektiv empfundene Höhepunkt meines Studiums an der TU Dresden. Eine größere Erleichterung und ein strahlenderes Gesicht konnte mir danach keine sehr gut bestandene Abschlussprüfung oder Auszeichnung bescheren. Denn: das Gefühl, in der Wissenschaftssprache Deutsch angekommen zu sein, auch andere, die meine Texte lesen, überzeugen zu können, war überwältigend! Zudem, da mein Weg zu jenem Gefühl, die volle Pracht und breite Palette des wissenschaftlichen Ausdrucks zumindest überblicken und vielleicht beherrschen zu können, zuvor nicht unbedingt kurz war. Es hat mich sehr viel Mühe gekostet, die Regeln und Verhaltensnormen der wissenschaftlichen Darstellung zu verinnerlichen, so eine Art „Gebäude“ aus Wörtern und Sätzen für mich selbst zu errichten, in dem meine Gedanken geschützt und für alle sichtbar waren. Umso erstaunlicher war es für mich, dass im nächsten Schritt, bei meiner Dissertation, das mühsam errichtete „Zuhause“ des wissenschaftlichen Stils doch neu einzurichten war. Die Kreativität und Individualität meines wissenschaftlichen Schreibens kamen hinzu und verlangten Platz in der akademischen Ordnung. Die Entwicklung eines individuellen wissenschaftlichen Schreibstils, der seinen Ursprung in akzeptierten Normen der Wissenschaft und Fachsprache hat, jedoch Freiraum für die Persönlichkeit des Verfassers lässt, war für mich bisher meine wichtigste Schreiberfahrung, die ich auch mit meinen Studierenden teile.
Die deutsche Sprache als Medium der akademischen Kommunikation übte auf mich von Anfang an eine Faszination aus und motivierte zu einigen essayistischen und literarischen Versuchen, die zum Teil als Preisträgertexte in Sammelbänden an der TU Dresden publiziert wurden (Textbeispiele auf Anfrage).
Kulturbezogene Schreibprobleme der internationalen Studierenden
Eine Situation, die sich in unterschiedlichen Varianten oft in meiner Unterrichtspraxis wiederholt hat: eine chinesische Studentin gibt ihre Hausarbeit ab und möchte zeitnah eine Beurteilung bekommen. Beim näheren Anschauen der 12-seitigen Arbeit stelle ich fest, dass die Arbeit komplett aus mehreren, mir gut bekannten Quellen, abgeschrieben ist, ohne dass diese als Zitate markiert sind. Würde man die Quellen nicht kennen, hätte die Arbeit sogar eine gute Benotung bekommen können. Auf meine Nachfrage erklärte die Studentin, dass es in ihrem Studium in China es unüblich bzw. nicht so wichtig war, die Quellen der Textpassagen in der eigenen Arbeit anzugeben. Denn: der Dozent als Experte weiß ja sowieso sofort, aus welchem Werk welcher Gedanke in der studentischen Arbeit stammt. Und mit dem Verwenden fremder Gedankengänge würde man auch nachweisen, dass man fleißig war und die wichtigsten Quellen kennt. Hauptsache, man verwendet Textpassagen des richtigen „Meisters“, also Autors. Marina Adams
Biographisches
Geboren im sibirischen Omsk (Russland), studierte Marina Adams Deutsch als Fremdsprache (DaF), Germanistik und Slavistik an der TU Dresden und promovierte an der TU Dresden zur fachkommunikativen Studienbegleitung in der Geschichte des Faches DaF in der DDR. Seit 2005 ist sie Lehrbeauftragte an der Uni Kassel sowie Dozentin für Aus-, Fort- bzw. Weiterbildung von DaF/Z-Lehrern an unterschiedlichen Bildungsträgern. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen Fachkommunikation im interkulturellen Kontext, Wissenschaftssprache Deutsch, Methodik/Didaktik der DaF/Z-Unterrichts. Seit 2010 ist Marina Adams Mitgestalterin des PROFIN-Projekts „InterKomFach: Interkulturelles Kommunikationstraining im Fach“ an der Uni Kassel; seit Mai 2012 Verantwortliche für Schreibdidaktik und Schreibberatung für internationale Studierende an der Uni Kassel.
Kontakt Dr. Marina Adams Stelle im ISZ: Schreibdidaktik und interkulturelle Voraussetzungen ISZ/R. 2037 Tel.: 804-3963 Mail: marina.adams@uni-kasselHier geht es zur Anmeldeseite der Langen Schreibnacht in der UB Kassel: http://www.ub.uni-kassel.de/langeschreibnacht.html. Dort finden Sie auch alle Beratungs- und Schulungsangebote. Dr. Marina Adams ist in der Nacht mit dabei.