Plädoyer für ein nachhaltiges Modell für freien wissenschaftlichen Austausch zu fairen Bedingungen
Die Universität Kassel nimmt an den nationalen DEAL-Verträgen teil und ermöglicht Ihnen dadurch nicht nur den Zugriff auf fast alle E-Journals von Wiley und Springer Nature, sondern auch die Veröffentlichung Ihrer Artikel im Open Access ohne eigene Kosten, und zwar nicht nur in den reinen Gold-Open-Access-Zeitschriften beider Verlage.
Nach Annahme Ihres Papers in einer klassischen Subskriptionszeitschrift werden Sie in den Autoren-Dashboards auf die Option zur kostenlosen Freischaltung Ihres Artikels hingewiesen (unter den Bezeichnungen OnlineOpen bei Wiley und Open Choice bei Springer Nature). Aber warum sollten Sie als Autor*in dieses so genannte hybride Open Access in DEAL-Zeitschriften überhaupt nutzen? Schließlich weiß die wissenschaftliche Community doch ohnehin, wie sie Zugang zu Ihrem Artikel bekommt.
Das stimmt! Aber wäre es nicht besser, wenn wissenschaftliche Forschungsergebnisse, die in den allermeisten Fällen ohne kommerzielles Interesse seitens der Autor*innen publiziert werden, allen Menschen kostenlos zur Verfügung stünden, egal ob Wissenschaftler*in oder Laie, Mitglied einer Hochschule oder Privatperson? Wie kommt denn die wissenschaftliche Community an den Artikel? Entweder die eigene Hochschule hat eine teure Lizenz erworben oder man bezahlt für den einmaligen Zugang zum Artikel. Oder Sie stellen ihn auf ResearchGate oder Academia.edu ein, was die Verlage zwar oftmals dulden, streng genommen aufgrund des abgetretenen Verwertungsrechts aber nicht erlaubt ist. Oder man kontaktiert Sie als Autor*in direkt und bittet um Zusendung des Artikels. Oder man bemüht illegale Schattenbibliotheken. All das ist entweder teuer, spielt sich in einer rechtlichen Grauzone ab oder ist eindeutig illegal, oder aber umständlich. Open Access dagegen ermöglicht die freie Verfügbarkeit Ihres Artikels weltweit zu jeder Zeit ohne Barrieren. In DEAL wird Ihr Open-Access-Artikel unter einer Creative Commons-Lizenz veröffentlicht, was nicht nur eine bessere Verbreitung und Nachnutzung ermöglicht. Sie als Autor*in behalten die Rechte an Ihrem Artikel und können ihn selbst in jeder gewünschten Form nachnutzen. Warum also Forschungsergebnisse, die von Steuerzahler*innen über Landes- oder Drittmittel finanziert wurden, hinter einer kostenpflichtigen Paywall wegschließen?
Es gibt einen weiteren Grund, die Open-Access-Option in DEAL nicht ungenutzt zu lassen: Sie ist bereits bezahlt. Moment! Die UB zahlt Wiley und Springer Nature für jeden Artikel, den Angehörige der Universität Kassel in deren Subskriptionszeitschriften veröffentlichen, eine Gebühr? Und zwar auch dann, wenn die Autor*innen Open Access gar nicht nutzen?
Genau so ist es! Die nationalen DEAL-Verträge wurden im Auftrag der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen mit Wiley, Springer Nature und Elsevier verhandelt (wobei mit Elsevier nach wie vor keine Einigung erzielt wurde), weil diese drei Verlage einen bedeutenden Teil des wissenschaftlichen Outputs publizieren, gleichzeitig aber (wie viele andere Verlage auch) immer höhere Lizenzgebühren verlangen. Das ist dauerhaft nicht finanzierbar. Bisher ist es jedoch nicht gelungen, die Wissenschaftler*innen im großen Stil davon zu überzeugen, vermehrt in reinen Open-Access-Zeitschriften zu publizieren. Ein Grund ist das gegenwärtige Wissenschafts- und Publikationssystem, in dem Forscher*innen, die Karriere machen wollen, auf Publikationen in renommierten Zeitschriften der Großverlage angewiesen sind. Die DEAL-Verträge (und ähnliche Verträge anderer Länder) sind der Versuch, den Open-Access-Anteil dieser Verlage zu erhöhen und ihre Zeitschriften mittelfristig in reine Open-Access-Zeitschriften umzuwandeln (Stichwort: Open-Acess-Transformation). Mit anderen Worten: Kommen die Wissenschaftler*innen nicht zu Open Access, muss Open Access zu ihnen kommen, bzw. zu den Zeitschriften, in denen sie nach wie vor publizieren. Ziel ist es, dass möglichst alle Artikel von Autor*innen deutscher Einrichtungen bei diesen Verlagen im Open Access erscheinen und zugleich für alle teilnehmenden Einrichtungen Zugriff auf deren Closed-Access-Inhalte besteht. Wir nehmen also nicht nur deshalb an den DEAL-Verträgen teil, damit Sie Open Access publizieren können, sondern auch, damit an der Universität Kassel weiterhin Zugriff auf die Zeitschriften von Wiley und Springer Nature besteht. Aber was ist nun mit den Gebühren?
Das Abrechnungsmodell der DEAL-Verträge ist nicht mehr subskriptions-, sondern publikationsbasiert. Für jeden Artikel, den Angehörige deutscher Einrichtungen in den DEAL-Zeitschriften publizieren, erhalten die Verlage eine so genannte Publish&Read-Fee von 2.750 EUR netto. Natürlich haben sich die Verlage das so ausgerechnet, dass sie bei der erwarteten Artikelzahl aus Deutschland denselben Umsatz generieren wie zuvor mit Subskriptionen deutscher Einrichtungen. Deshalb muss eben auch für solche Artikel gezahlt werden, bei denen sich die Autor*innen gegen Open Access entscheiden. Sonst bekämen wir die Inhalte der DEAL-Verlage quasi geschenkt, wenn niemand Open Access nutzen würde (was der Intention von DEAL widerspricht). Dass das nicht funktionieren kann, ist offensichtlich. Darum wird für jeden Artikel gezahlt, Open Access oder nicht.
Das neue Abrechnungsmodell hat zur Folge, dass publikationsstarke Einrichtungen steigende und publikationsschwächere Einrichtungen sinkende Kosten haben. Es findet also eine Umschichtung der Gebühren zwischen den Einrichtungen statt, aber der deutschlandweite Gesamtumsatz der Verlage bleibt annähernd gleich. Somit bekommt Deutschland viel mehr Open Access und damit mehr Leistung für dasselbe Geld. Natürlich führt dieses Modell zu intensiven Diskussionen zwischen den Einrichtungen und zu Überlegungen, wie man diese Kostentransformation nachhaltig und für alle leistbar gestalten kann. So hat zum Beispiel die DFG ein entsprechendes Förderprogramm aufgesetzt.
DEAL ist einer von mehreren Ansätzen, um zu mehr Open Access zu gelangen. Der Weg dorthin ist umstritten und wird fortwährend diskutiert, aber eins steht fest: Das gegenwärtige Modell mit immer weiter steigenden Subskriptionskosten ist nicht nachhaltig, gelangt an seine Grenzen und behindert den freien wissenschaftlichen Austausch zu fairen Bedingungen. Der Erfolg der DEAL-Verträge als ein Baustein für ein nachhaltiges Publikationswesen kann erst später beurteilt werden. Appelle an die Wissenschaft, mehr in reinen Open-Access-Zeitschriften zu publizieren, hatten trotz aller Einsicht für das Problem bisher aufgrund systemimmanenter Aspekte, man muss fast sagen Fehlentwicklungen des wissenschaftlichen Publikationswesens (Fokus auf Impact Factor, Publish or Perish), leider noch nicht den gewünschten Erfolg.
Also: Nutzen Sie die Option, Ihre Artikel bei Wiley und Springer Nature im Open Access zu publizieren, und ziehen Sie reine Open-Acess-Zeitschriften Ihrer Fachdisziplin in Betracht. Sie finden sie im Directory of Open Access Journals. Seien Sie Teil des Wandels.
Weitere Informationen zu DEAL finden Sie auf der Projektwebseite. Bei Fragen zu DEAL und Open Access freuen wir uns auf Ihre Nachricht.
Kontakt:
Dr. Tobias Pohlmann
openaccess@bibliothek.uni-kassel.de
0561 804 2529
Links:
Open Access publizieren mit DEAL
Projekt DEAL
Directory of Open Access Journals
Open Access an der UB Kassel
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