Heute beginnt wieder die jährlich stattfindende Open Access Week. Ein Anlass für uns, Sie in drei Blogbeiträgen über aktuelle Aspekte des Open Access zu informieren. Los geht es mit Teil 1 und den Gründen, die für eine Transformation des wissenschaftlichen Publikationswesens zum Open Access sprechen.
Open Access hat in den vergangenen Jahren erfreulicherweise an Dynamik gewonnen. Immer mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzen Open Access zur Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse. Das hängt zum einen damit zusammen, dass es inzwischen in vielen Fachdisziplinen sehr gute, qualitätsgeprüfte Open-Access-Journals gibt (mehr dazu in Teil 3). Zum anderen entwickelt sich ein zunehmendes Bewusstsein dafür, dass der Zugriff auf E-Journals großer Wissenschaftsverlage an vielen Forschungseinrichtungen nicht mehr dauerhaft finanzierbar sein wird. Hiervon ist auch die Universität Kassel betroffen.
Die Ausgaben für elektronische Zeitschriften und Datenbanken haben sich an der UB Kassel in den letzten sieben Jahren auf inzwischen 1,55 Mio. € verzweieinhalbfacht. Wir geben mittlerweile 55 Prozent unseres praktisch unveränderten Erwerbungsetats für unverzichtbare E-Journals und Datenbanken aus. Dies geht zu Lasten des Monografienerwerbs. Knapp die Hälfte dieser Ausgaben, 723.822 €, gingen 2016 an die drei großen Verlage Elsevier, Springer und Wiley, wobei Elsevier mit Abstand führt. Viertgrößter Posten ist IEEE Xplore, die Datenbank für Informatik und Elektrotechnik.
Aber warum lassen sich Forschungseinrichtungen diese Preisentwicklungen überhaupt gefallen und steuern sehenden Auges in den Zusammenbruch der wissenschaftlichen Literaturversorgung? Weil sich in den letzten Jahrzehnten eine Abhängigkeit von Großverlagen entwickelt hat, die nur schwer zu durchbrechen ist. Im vordigitalen Zeitalter waren die Verlage ein wichtiger Partner für die Verbreitung von Forschungsergebnissen. Sie organisierten die Begutachtung der eingereichten Artikel, übernahmen das Lektorat und sorgten für den Druck, die Aboverwaltung und die Auslieferung der einzelnen Hefte an Bibliotheken und Einzelabonnenten. Die Einführung des Impact Factors, der die Zitationsrate einzelner Zeitschriften beziffert, half Bibliotheken und Wissenschaftlern dabei, wichtige Journals zu identifizieren. Mit der digitalen Revolution wanderten immer mehr Journals ins Netz, was den Zugriff erheblich komfortabler macht. Gleichzeitig entwickelte sich aber eine Marktmacht weniger international operierender Großverlage, deren Produkte in der Wissenschaft als unverzichtbar gelten. Bei gleichzeitig sinkenden Herstellungskosten konnten die Großverlage seit Anfang der 1990er Jahre weit über den Etatzuwächsen der Hochschulen und Bibliotheken liegende Preissteigerungen durchsetzen. Ein Ausweichen auf günstigere Zeitschriften anderer Verlage ist schwer möglich. Eine Veröffentlichung in einer Zeitschrift mit hohem Impact Factor ist die entscheidende Währung, die eine Forscherkarriere voranbringt, ungeachtet der Tatsache, dass der Impact Factor keine Aussage über den Wert eines einzelnen Artikels zulässt. Die Großverlage nutzen diese Abhängigkeit der Wissenschaftler, um immer höhere Preise zu verlangen, denen die Bibliotheken nichts entgegensetzen können. Wollen sie nicht mehr zahlen, entfällt zum Nachteil ihrer Forschungseinrichtungen schlicht und ergreifend der Zugriff.
Dieses System ermöglichte beispielsweise dem börsennotierten Verlag Elsevier 2014 eine Gewinnmarge von stolzen 37 Prozent, z.T. finanziert vom Steuerzahler: Die ganz überwiegend öffentlich finanzierten Forscher erhalten i.d.R. weder für das Schreiben eigener noch für die Begutachtung fremder Artikel eine Aufwandsentschädigung. Die Verlage bekommen die qualitätsgeprüften Inhalte ihrer Zeitschriften quasi kostenlos, und verkaufen dann den Zugriff darauf an die öffentlichen Einrichtungen teuer zurück.
Es liegt auf der Hand, dass dieses System nicht dauerhaft funktionieren wird. Open Access dagegen kann die wissenschaftliche Kommunikation künftig sicherstellen, wenn es gelingt, dieses Modell erfolgreich umzusetzen. In Teil 2 unserer Reihe im Rahmen der Open Access Week erfahren Sie, wie Politik, Forschungseinrichtungen und die Universität Kassel an diesem Ziel arbeiten.
Kontakt:
Dr. Tobias Pohlmann
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