Open Access Week 2021: Else… wer?

In den vergangenen beiden Beiträgen haben wir über die Förderung primärer Open-Access-Publikationen (Zeitschriftenartikel und Bücher) durch unseren Fonds berichtet. Während unsere Unterstützung von Open-Access-Monografien gerade erst angelaufen ist, verzeichnen Artikel in Gold-Open-Access-Zeitschriften in den letzten Jahren einen beachtlichen Zuwachs (s. dazu unseren ersten Beitrag). Aber auch etablierte Zeitschriften traditioneller Verlage, allen voran Elsevier, Springer Nature und Wiley spielen bei der Wahl des Publikationsortes für Wissenschaftler:innen nach wie vor eine große Rolle und das wird bis auf Weiteres wohl auch so bleiben. Wie also vereint man den Wunsch nach mehr Open Access mit traditionellem Publikationsverhalten? Durch sogenannte Open-Access-Transformationsverträge.

Bekanntestes Beispiel sind die nationalen DEAL-Verträge mit den Verlagen Wiley und Springer Nature. Dazu haben wir Anfang des Jahres einen ausführlichen Blogbeitrag veröffentlicht, den wir Ihnen erneut ans Herz legen. Das Wichtigste in Kürze: Unsere Teilnahme ermöglicht Ihnen weiterhin den lesenden Zugriff auf fast alle kostenpflichtigen Journals beider Verlage, Sie als Corresponding Author der Universität Kassel können Ihren Artikel in den meisten dieser Zeitschriften ohne eigene Kosten im Open Access freischalten lassen (Hybrides Open Access) und die Abrechnung erfolgt nicht mehr subskriptionsbasiert, sondern publikationsbasiert mit einer Gebühr von 2.750 EUR netto plus Steuer pro Artikel, die von uns auch dann zu zahlen ist, wenn Sie sich wissentlich oder unwissentlich gegen die Open-Access-Freischaltung entscheiden. Darum bleibt es bei unserem Appell: Nutzen Sie diese Option und machen Sie Ihre Artikel bei Wiley und Springer Nature weltweit frei verfügbar. Je mehr Open-Access-Artikel erscheinen, desto größer die Chance, dass einzelne Journals und schließlich ganze Verlage vollständig in das Open-Access-Modell transformiert werden. Das ist der Grundgedanke von Open-Access-Transformationsverträgen.

Doch wie bei so vielem Schönen gibt es auch hier ein großes Aber: Die bisherige Abhängigkeit von einigen wenigen Großverlagen, die den Markt dominieren, bleibt nicht nur bestehen, sondern wird weiter zementiert. Transformationsverträge unterwerfen sich der gegenwärtigen Praxis, dass Wissenschaftler:innen bevorzugt dort publizieren, wo sie das größte Renommee wahrnehmen und wo der Impact Factor am höchsten ist, mit anderen Worten: in traditionellen Zeitschriften etablierter Verlage. Ein Paper in einer Zeitschrift mit hohem Impact Factor wird im wissenschaftlichen Bewertungssystem als qualitativ hochwertig angesehen, obwohl diese Kennzahl hierüber keinerlei Aussage macht. Der Impact Factor misst den Einfluss eines Journals innerhalb einer wissenschaftlichen Disziplin, nicht dessen Qualität, schon gar nicht auf Artikelebene. Die Declaration of Research Assessment, die mittlerweile auch von einigen deutschen wissenschaftlichen Einrichtungen, darunter die DFG, unterzeichnet wurde, empfiehlt deshalb, bei der Bewertung wissenschaftlicher Qualität neue Wege zu beschreiten. Klar sollte sein, dass die Qualität eines wissenschaftlichen Papers von seinem Inhalt und dessen sorgfältiger Prüfung durch Peer Review oder andere Begutachtungsverfahren abhängt und nicht davon, in einer Zeitschrift eines klassischen (Groß-)Verlags erschienen zu sein.

Warum nochmal publizieren wir eigentlich immer noch so viel bei marktdominierenden Großverlagen?
(Bild: RobinHiggins | Pixabay)

Auch einem der wichtigsten Ziele von Open Access, der nachhaltigen Finanzierung des wissenschaftlichen Publikationswesens werden die DEAL-Verträge mit Wiley und Springer Nature in ihrer jetzigen Form nicht gerecht. Die Verträge sind so gestrickt, dass beide Verlage ihren Gesamtumsatz in Deutschland nicht nur halten, sondern sogar noch um die bisher im Subskriptionsmarkt üblichen jährlichen Preiszuwächse steigern können. Das publikationsbasierte Abrechnungsmodell führt zwar dazu, dass sich die Kosten zwischen den einzelnen Einrichtungen umverteilen und einige von ihnen auch Einsparungen erzielen, für publikationsstarke Institutionen ergeben sich jedoch erhebliche Mehrkosten. Selbst der Universität Kassel mit einem Publikationsaufkommen im Mittelfeld entstehen weitere Zusatzkosten. Und das Ende der Fahnenstange ist offenbar noch nicht erreicht. Wenngleich es auch Open-Access-Transformationsverträge mit kleineren Verlagen gibt, die für uns kostenneutral sind oder vereinzelt sogar eine Kostenersparnis mit sich bringen, wurde im Kostenmodell des Transformationsvertrags für die Nature-Journals eine rechnerische Artikelgebühr von 9.500 € netto (!) pro Artikel angesetzt. Dass wir an einem solchen Vertrag nicht teilnehmen, versteht sich von selbst. Damit würden wir ein vollkommen falsches Signal an die Verlage senden.

Dass man auf die Zeitschriften eines Großverlags durchaus auch verzichten kann, ohne dass das wissenschaftliche System zusammenbricht, zeigt das Beispiel Elsevier. Die DEAL-Verhandlungen mit diesem Verlag liegen seit Mitte 2018 auf Eis. Elsevier sieht für sich bisher offenbar keine Möglichkeit, der Forderung der deutschen Wissenschaftseinrichtungen nach mehr Open Access in ausreichendem Maß entgegenzukommen. Fast alle deutschen Einrichtungen haben damals ihre Einzelverträge mit Elsevier gekündigt; der Umsatz des Verlags in Deutschland ist dramatisch eingebrochen. Anscheinend ist das verschmerzbar für einen internationalen Player wie Elsevier, der sich selbst schon nicht mehr als Verlag, sondern als „globales Unternehmen für Informationsanalysen“ bezeichnet. Vor wenigen Monaten hat die DFG auf das Problem des Datentrackings in der Wissenschaft aufmerksam gemacht. Bereits Ende letzten Jahres wurde auch in der F.A.Z. (Artikel hinter der Paywall; im Campusnetz finden Sie ihn im F.A.Z.-Bibliotheksportal) darüber berichtet, wie die Großverlage die Forschungstätigkeit von Wissenschaftler:innen ausspähen. Elsevier ist ganz vorne mit dabei. Die gesammelten Daten lassen sich an unterschiedliche Interessenten verkaufen, aber auch für wissenschaftliche Einrichtungen selbst will man zum unverzichtbaren Dienstleister für Analysen der eigenen Forschungstätigkeit werden. Ein umfassenderes Bild davon, wohin die Reise gerade geht, aber auch mögliche Lösungsansätze, vermittelt Björn Brembs in einem aktuellen, sehr lesenswerten Artikel. Es gibt also gewichtige Gründe, die Abhängigkeit der Wissenschaft von solchen Großverlage zu hinterfragen und zu überdenken.

So oder so: Bis auf Weiteres ist nicht abzusehen, ob und wann es zu einem nationalen DEAL-Vertrag mit Elsevier kommen wird. Um die Verhandlungsposition der deutschen Wissenschaftseinrichtungen nicht zu schwächen, werden wir keine lokalen Zeitschriftenabos mit Elsevier abschließen. Auf viele Elsevier-Zeitschrifteninhalte der Jahrgänge 2017 und früher haben Sie innerhalb des Campus nach wie vor Zugriff. Nicht verfügbare Artikel können Sie einfach und bequem und ganz ohne eigene Kosten über unseren Elsevier-Aufsatzlieferdienst bestellen, ab sofort auch unter Angabe der Dringlichkeit. Wenn es also mal schnell gehen muss, machen wir das möglich.

Die in diesem Beitrag geschilderten Entwicklungen sind nicht erfreulich, aber das wissenschaftliche Publikationswesen ändert man nicht mal eben mit einem Fingerschnippen. Die Marktmacht der Großverlage wird uns wohl noch eine ganze Weile begleiten. Wenn wir aber schon dort publizieren, und außerhalb von Transformationsverträgen sogar noch hinter einer Paywall, dann sollten wir unsere Artikel wenigstens in Form einer Zweitveröffentlichung frei verfügbar machen. Wie das geht, erfahren Sie morgen im fünften und letzten Beitrag unserer Serie zur Open Access Week 2021.

Kontakt:
Dr. Tobias Pohlmann
openaccess@bibliothek.uni-kassel.de
0561 804 2529


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