Datentracking in der Wissenschaft

Wer sich im Internet bewegt, hinterlässt digitale Spuren. Alles, was wir im Internet tun – jeden Klick den wir machen, jeden Link den wir besuchen, wie lange wir uns einen bestimmten Inhalt ansehen – wird gesammelt, gespeichert, verarbeitet und (potentiell) weiterverkauft. Die Verarbeitung unserer Daten ist ein lukratives Geschäft und das Motto: „Wenn du nicht für das Produkt bezahlst, bist du selbst das Produkt …“ ist mittlerweile als Binsenweisheit zu betrachten.

Aber nicht nur in den sozialen Medien und bei der Nutzung kostenloser Dienste (Facebook, Instagram, Google und Co) gilt dieses Motto, sondern (leider) auch in der Wissenschaft. Spätestens mit Gründung spezieller sozialer Netzwerke für Forschende, wie etwa Mendeley und ResearchGate, hat dieses Geschäftsmodell auch die Wissenschaft erreicht. Was zudem viele nicht wissen: hinter einer Vielzahl dieser Netzwerke, Forschungsinformationssysteme oder Literaturverwaltungssoftwareprogramme stehen mittlerweile große Firmen. Und auch Großverlage wie Springer oder Elsevier bieten über Fachdatenbanken und –zeitschriften nicht nur kostenintensive Zugänge zu wissenschaftlichen Informationen an, sondern expandieren derzeit stark in Richtung Data-Analytics-Business. Dadurch erweitern sie ihr Geschäft mit wissenschaftlichen Informationen um die Auswertung und Verarbeitung von Nutzungsdaten.

Datentracking durch Wissenschaftsverlage

Der Ausschuss für Wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme (AWBI) der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) hat bereits im Oktober 2021 ein Informationspapier veröffentlicht, das das Vorgehen und die Methoden der Verlage eindrücklich aufzeigt. Nicht nur, dass z. B. Elsevier jeden heruntergeladenen Fachartikel mit einer in den Metadaten versteckten eindeutigen ID versieht – bei der Nutzung der Verlagsangebote werden Zugriffs- und Nutzungsdaten, Verweildauer, Lese- und Tippgeschwindigkeit oder Suchbegriffe erfasst, gespeichert, ausgewertet und lassen Rückschlüsse auf die Forschenden und deren Arbeit zu. Für die „Datenfirmen“ eine wahre Goldgrube.

An der Universität Kassel wurde dieses Informationspapier inzwischen rezipiert und in verschiedenen Zusammenhängen, vor allem in Gremien und Kommissionen diskutiert. Das Thema ist also an der Universität Kassel angekommen. Das ist zwar gut, aber eine einzelne Einrichtung wie die Universität Kassel kann hier bei diesem hochschul- bzw. wissenschaftspolitischen „Groß-Thema“ keine Abhilfe schaffen. Nur gemeinsam und hochschulübergreifend durch Rektorate und Präsidien, in der Wissenschaftscommunity, in den Fachdisziplinen und Interessenverbänden, in überregionalen Gremien und Zusammenschlüssen kann ein solches Thema adäquat behandelt werden und nur dann besteht die Hoffnung, dass dieser Entwicklung entgegengewirkt werden kann.

Datentracking und die Universitätsbibliothek Kassel

Dennoch können wir als Infrastruktureinrichtung Universitätsbibliothek Kassel auf lokaler Ebene, aber auch Sie als Nutzer:in von Informationsressourcen ein paar Dinge tun und beachten, die die Problematik entschärfen helfen. In jedem Fall sollten wir uns dieser Thematik bewusst sein, das ist auch der Hauptgrund für diesen Beitrag.

Nun zu den lokalen Verhältnissen vor Ort ein paar Informationen: Bei der Nutzung der UB-eigenen Angebote wie KARLA, KOBRA, ORKA, DaKS etc. verwenden wir selbstverständlich keine Tracking-Tools. Ihre Ausleihdaten werden auch nicht gespeichert. Mit Rückgabe Ihrer ausgeliehenen Medien löschen wir Ihre Ausleihdaten. Es kann rückwirkend nicht nachvollzogen werden, welche Medien Sie ausgeliehen haben. Auch bei der Nutzung des Datenbank-Infosystems (DBIS) und der Elektronischen Zeitschriftenbibliothek (EZB) wird nicht getrackt. Sobald Sie jedoch in DBIS, EZB oder KARLA den Link eines externen Informationsanbieters auswählen, befinden Sie sich außerhalb des Einflussbereichs der UB und können potentiell vom jeweiligen Anbieter (Verlag) getrackt werden.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass öffentliche Einrichtungen (Hochschulen, Hochschulbibliotheken, Forschungseinrichtungen etc.) in Deutschland datenschutzkonform handeln und nicht das Ziel verfolgen, das Verhalten der Nutzenden zu beobachten. Eigene Angebote der UB Kassel sind ebenso vertrauenswürdig, wie Suchmaschinen und Publikations- oder Forschungsdatenrepositorien anderer Universitäten. Bei den Lizenzverhandlungen mit den großen Verlagen dringen wir als UB zudem (auch im Verbund mit anderen Bibliotheken) stets auf Einhaltung geltender Datenschutzbestimmungen und setzen uns für einen Stopp des Trackings ein.

Als Publizierende:r sollten Sie (oft kostenlose) Software und Webseiten vermeiden, bei denen Nutzungsdaten im großen Stil abgegriffen werden und stattdessen Open-Source Alternativen zur Verwaltung von Referenzen etc. nutzen, Sie sollten zudem Preprints nicht auf kommerzielle Server wie Researchgate stellen, sondern nicht-kommerzielle Angebote nutzen.

Falls Sie sich mit dem Thema Datentracking in der Wissenschaft intensiver beschäftigen möchten, dann können Sie sich hier informieren:

Ein Dankeschön geht an die ULB Darmstadt für einige Anregungen zu diesem Beitrag.

Kontakt: Dr. Matthias Schulze


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