Transformation oder Konsolidation? Nutzung und Wirkung von Open-Access-Vereinbarungen

„Kommt der Berg nicht zum Propheten, muss der Prophet zum Berg gehen“. So dachte man wohl 2014 in der Allianz der Wissenschaftsorganisationen und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Angesichts bestehender Reputations- und Bewertungsmechanismen publizierten die Forschenden trotz einer zunehmenden Zahl an Open-Access-(OA-)Zeitschriften weiterhin überwiegend in etablierten, jedoch zugangsbeschränkten Subskriptionszeitschriften. Warum dann nicht diese Zeitschriften in OA-Modelle überführen? Im Auftrag von Allianz und HRK begann das Projekt DEAL (inzwischen: DEAL-Konsortium) Verhandlungen mit den drei größten Wissenschaftsverlagen. Neben dem lesenden Zugriff auf deren Zeitschriftenportfolios sollten die Forschenden ihre dortigen Artikel ohne Extrakosten im OA veröffentlichen dürfen. Ein höherer Anteil frei zugänglicher OA-Artikel sollte zur Umwandlung der Zeitschriften und schließlich der Verlage ins OA-Modell führen. Daher sprach man auch von sogenannten „Transformationsverträgen“. Der erste Vertragsabschluss gelang 2019 mit Wiley, der zweite ein Jahr später mit Springer Nature. 2024 kam schließlich auch Elsevier hinzu. Außerhalb von DEAL verhandelten große Bibliotheken vergleichbare nationale Vereinbarungen mit weiteren Verlagen.

Verteilung der 240 OA-Artikel des Jahres 2024 von Corresponding Authors der Universität Kassel in hybriden Subskriptionszeitschriften nach Fachbereichen und Verlagsvereinbarungen (Bild: UB Kassel)

Die Universität Kassel nimmt an allen drei DEAL-Verträgen und derzeit 13 weiteren Vereinbarungen teil. Im vergangenen Jahr wurden hierüber insgesamt 240 OA-Artikel in hybriden Subskriptionszeitschriften veröffentlicht. Rund drei Viertel davon entfielen auf die drei DEAL-Verlage mit großer Nachfrage an den Fachbereichen 15 (Maschinenbau), 11 (Agrarwissenschaften), 01 (Humanwissenschaften), 07 (Wirtschaftswissenschaften) und 10 (Mathematik und Naturwissenschaften). Bei den Verlagen Sage, Taylor & Francis, Cambridge University Press und de Gruyter mit einem Anteil von knapp 18 % der Artikel publizierten hauptsächlich die Fachbereiche 05 (Gesellschaftswissenschaften), 01, 06 (Architektur, Stadt- und Landschaftsplanung) und 07. Der Vertrag mit Hogrefe, einem Fachverlag für Psychologie, wurde, wenig überraschend, ausschließlich vom Institut für Psychologie am FB 01 genutzt, der Vertrag mit der Association for Computing Machinery (ACM) fast ausschließlich vom FB 16 (Elektrotechnik/Informatik). Bei den naturwissenschaftlichen Anbietern IOP Publishing (Physik), American Institute of Physics (AIP) und Royal Society of Chemistry (RSC) publizierte überwiegend der FB 10. Lediglich der FB 02 (Geistes- und Kulturwissenschaften) mit einer Publikationskultur, die stärker auf Buchveröffentlichungen und Beiträge in Sammelbänden fokussiert, nutzte die bestehenden Verlagsvereinbarungen im letzten Jahr fast gar nicht.

Entwicklung der OA-Anteile von Forschungsartikeln in Deutschland (Datenquelle: Open Access Monitor / OpenAlex, Stand: 14.02.2025, Bild: UB Kassel)

Dass dank solcher Verträge im In- und Ausland zahlreiche Artikel der Universität Kassel und vieler anderer Forschungseinrichtungen nicht mehr hinter einer Paywall, sondern unter einer freien CC-Lizenz kostenlos verfügbar im OA veröffentlicht werden, ist erfreulich. Mit dem Start der ersten Transformationsverträge ist der Anteil an OA-Artikeln in hybriden Zeitschriften auf zuletzt über 30 % angestiegen. Doch werden die Zeitschriften und Verlage tatsächlich ins OA-Modell transformiert? Die Bilanz ist gemischt. Bei den drei DEAL-Verlagen lässt sich bislang kein signifikantes Flipping von Subskriptions- zu OA-Zeitschriften beobachten. Auch auf andere Verlage trifft dies zu. Bei IOP Publishing dagegen ist zumindest ein leichter Wandel zu beobachten, bei Cambridge University Press und de Gruyter fällt er deutlicher aus. Die RSC verfolgt sogar das Ziel, ab 2028 als reiner Gold-OA-Verlag zu agieren. Zugleich zeigt sich, dass sich der Anteil an Artikeln in genuinen Gold-OA-Zeitschriften in den letzten Jahren bei rund einem Drittel stabilisiert hat und nicht weiter zunimmt. Auch der Anteil an Artikeln im Closed Access hinter einer Paywall stagniert bei rund einem Drittel.

Und nun? Die Meinungen zu „Transformationsverträgen“ gehen auseinander. Die einen loben den beschleunigten Anstieg von OA-Anteilen, die anderen kritisieren die Zementierung von Abhängigkeiten des wissenschaftlichen Publikationswesens von kommerziellen (Groß-)Verlagen. Unser Appell: Nutzen Sie die OA-Optionen, die diese Verträge Ihnen bieten, wenn Sie bei diesen Verlagen publizieren. Und prüfen Sie zugleich, ob es reine Gold-OA-Alternativen gibt. Wenn nicht, wirken Sie dabei mit, solche Alternativen in der Hand der Wissenschaft zu schaffen und zu etablieren.

Ein Beitrag von Dr. Tobias Pohlmann

Kontakt:
Dr. Tobias Pohlmann
openaccess@bibliothek.uni-kassel.de
0561 804 2529


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