MDPI-Umfrage reloaded: Ergebnisse aus Kassel und NRW im Vergleich

Erinnern Sie sich noch an unsere Umfrage zu MDPI? Anfang 2023 wollten wir von den Forschenden der Universität Kassel wissen, wie sie die Qualität des schweizerischen Open-Access-Verlags wahrnehmen. Lediglich die Hälfte der Teilnehmenden sah in MDPI einen seriösen oder eher seriösen Verlag. Die Landesinitiative openaccess.nrw hat die Kasseler Umfrage aufgegriffen, auf sieben Verlage ausgeweitet und die Forschenden aus Nordrhein-Westfalen bis Februar 2025 in einer eigenen Umfrage zu Qualitätsaspekten dieser Verlage befragt. Erste Ergebnisse wurden bereits präsentiert und dankenswerterweise auch die Rohdaten veröffentlicht. Von den 521 Teilnehmenden, die die Fragebögen vollständig ausfüllten, beantworteten 200 (38,4 %) die Umfrage in Hinblick auf den Verlag MDPI, der bezüglich seiner Praktiken zur Qualitätssicherung am schlechtesten bewertet wird, gefolgt vom ebenfalls in der Schweiz ansässigen Open-Access-Verlag Frontiers. Die fünf traditionellen Verlage, die ebenfalls zur Auswahl standen, werden von den Teilnehmenden deutlich positiver wahrgenommen.

Beurteilung der Qualitätssicherung bei verschiedenen Verlagen durch Forschende aus NRW. n = Anzahl der Antworten ohne „kann ich nicht beurteilen“. (Bild: eigene Darstellung basierend auf DOI 10.5281/zenodo.15608543)

Die weiteren Detailfragen zur Wahrnehmung des Verlags in der eigenen Fachdisziplin sowie zu Erfahrungen als Autor:in, Gutachter:in und Mitglied eines Editorial Boards sind größtenteils identisch mit denen der Kasseler Umfrage, was eine gute Vergleichbarkeit der Beurteilung von MDPI in beiden Umfragen ermöglicht, wie in folgender Abbildung dargestellt (größere Ansicht per Klick auf das Bild).

Beurteilung verschiedener Aspekte bei MDPI durch Forschende der Universität Kassel und aus NRW. n = Anzahl der Antworten ohne „kann ich nicht beurteilen“. (Bild: eigene Darstellung basierend auf DOI 10.17170/kobra-202304057786 & DOI 10.5281/zenodo.15608543)

War schon die Bewertung von MDPI in der Kasseler Umfrage für den Verlag nicht unbedingt schmeichelhaft, so beurteilen die Teilnehmenden der NRW-Umfrage MDPI in den meisten Punkten noch kritischer. Die Zustimmungswerte (trifft zu / trifft eher zu) der ersten drei Fragen zur Wahrnehmung von MDPI-Zeitschriften in der eigenen Fachdisziplin liegen in der NRW-Umfrage im Schnitt 14,3 Prozentpunkten niedriger als in der Kasseler Umfrage. Fast die Hälfte der Teilnehmenden aus NRW halten negative Auswirkungen für Autor:innen, die bei MDPI veröffentlichen, für möglich, während nur ein knappes Viertel der Kasseler Forschenden diese Befürchtung hatte. Die Zustimmungswerte bei den Fragen zum Review-Prozess aus Sicht der Autor:innen fallen in NRW durchschnittlich 7,6 Prozentpunkte, aus Sicht der Gutachter:innen 10,0 Prozentpunkte niedriger aus.

An der NRW-Umfrage nahmen deutlich mehr Mitglieder von Editorial Boards einer MDPI-Zeitschrift teil. Diese äußern sich im Gegensatz zur den Autor:innen und Gutachter:innen ganz überwiegend zufrieden. Jeweils knapp 90 % stimmen ganz oder eher zu, dass MDPI ihre Entscheidungen über Annahme oder Ablehnung eines Artikels akzeptiere und sie bei der Veröffentlichung von Special Issues angemessen involviert seien. Insgesamt halten es jedoch 58,1 % derer, die die NRW-Umfrage in Bezug auf MDPI beantworteten, für (eher) nicht sinnvoll, dass ihre Hochschule die Veröffentlichung von MDPI-Artikeln finanziell unterstützt. In der Kasseler Umfrage sah das „nur“ ein knappes Drittel der Teilnehmenden so.

Genau wie die Kasseler Umfrage bot die NRW-Umfrage die Möglichkeit, in einem Freitextfeld weitere Anmerkungen zu formulieren, wovon 53 Teilnehmende in Bezug auf MDPI Gebrauch machten. Negative Kommentare, die dem Verlag ein inadäquates Peer Review und einen Fokus auf hohe Artikelzahlen attestieren oder ihn sogar als Raubverlag bezeichnen, überwiegen dabei deutlich. Eine solche Einstufung mag Forschenden, die negative Erfahrungen mit MDPI gemacht haben, zwar gerechtfertigt erscheinen, verkennt aber, dass es sich bei Raubverlagen um Akteure mit eindeutig betrügerischen Absichten handelt. Das ist bei MDPI definitiv nicht der Fall. Der Verlag erfüllt keine Merkmale echter Raubverlage. Jedoch agiert er mit seinen Geschäftspraktiken in einem Graubereich und sieht sich mit einer steigenden Skepsis unter Forschenden konfrontiert, was sich in den Ergebnissen der NRW-Umfrage deutlich widerspiegelt und zu einem signifikanten Artikelrückgang in den vergangenen beiden Jahren geführt hat.

Es gibt erste Anzeichen, dass MDPI dies ernst nimmt und seine Qualitätsstandards anpasst. 2024 lag die Ablehnungsquote bezogen auf das gesamte Zeitschriftenportfolio des Verlags bei um die 60 % und ist damit innerhalb von zwei Jahren um 10 % gestiegen. Die UB Kassel wird die weiteren Entwicklungen auch im direkten Dialog mit MDPI weiter verfolgen. Haben Sie positive oder negative Erfahrungen mit MDPI gemacht, die Sie mit uns teilen möchten? Dann lassen Sie es uns gerne wissen.

Ein Beitrag von Dr. Tobias Pohlmann

Kontakt:
Dr. Tobias Pohlmann
openaccess@bibliothek.uni-kassel.de
0561 804 2529

Rohdaten der Umfrage von openaccess.nrw:
Benz, S. (2025). Qualitätsaspekte von Verlagen – Ergebnisse einer Umfrage der Landesinitiative openaccess.nrw. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.15608543 (veröffentlicht unter der Lizenz CC BY 4.0)


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