„Einigkeit und Recht und Freiheit“ – Carl Bernhardi und die Paulskirchenverfassung

Ein Beitrag von Dr. Brigitte Pfeil-Amann (Leitung Abteilung IV: Landesbibliothek)

Als der Pfarrersohn Carl Bernhardi 1799 in Ottrau bei Ziegenhain geboren wurde, da regierte noch Wilhelm IX. die Landgrafschaft Hessen-Kassel, die bei Bernhardis Tod am 1. August 1874 schon längst Geschichte und unter preußischer Regierung im Deutschen Kaiserreich aufgegangen war. 

Bernhardi war ein politischer Mensch, der in seinem langen Leben zahlreiche Regierungsformen und Regierende erleben musste: so war er nicht nur Untertan des Landgrafen, dann Kurfürsten von Hessen-Kassel, sondern auch des Westphälischen Königs Jérôme sowie der preußischen Könige und Deutschen Kaiser. 

Geprägt durch die burschenschaftliche Bewegung und die politischen Drangsale des frühen 19. Jahrhunderts, die Napoleonische Besatzung und die Befreiungskriege, nahm er aktiven Anteil an den Versuchen einer politischen Neuordnung Deutschland auf Basis von Verfassungen, die auf die Unruhen von 1830 ebenso wie auf die Revolution von 1848/49 folgten. 

Als (National-)Liberaler Vertreter für Eschwege nahm Karl Bernhardi (im ‚Brotberuf‘ seit 1830 Bibliothekar in der Kasseler Landesbibliothek) im März 1849 an der Verabschiedung und Unterzeichnung der Frankfurter Reichverfassung in der Paulskirche teil. Danach brachte er ein Exemplar der neuen Reichsverfassung (das er selbst als das „Zweites Originalexemplar“ bezeichnete) mit nach Kassel zurück. Dieses trug die originalen Unterschriften von über 200 der insgesamt 585 gewählten Abgeordneten der Verfassungsgebenden Versammlung.

Einband der Kasseler Paulskirchenverfassung.
Der komplette Band ist online einsehbar auf ORKA

Bernhardi widmete sein Exemplar der Paulskirchenverfassung am 4. Juni 1849 „der Curfürstlichen Landesbibliothek zu Cassel zum Andenken an das Parlamentsjahr 1848 – 1849“ [Abb. Widmung] und verzeichnete es zu einem unbekannten Zeitpunkt selbst als Manuskript 2° Ms. Hass. 62 im Handschriftenkatalog der Landesbibliothek. 

Widmung von Carl Bernhardi

Wenige Wochen nach dem faktischen Scheitern der Verfassung schied Carl Bernhardi am 21. Mai 1849 aus dem Frankfurter Parlament aus und zog sich nach Kassel in seine Tätigkeiten als Bibliothekar und Sprachforscher zurück.

Weiterhin liberal-demokratischem Gedankengut und der Idee nationaler Einigung verhaftet, konnte er aber wohl nie ganz von der aktiven Politik lassen und vertrat zwischen 1867 und 1870 den Wahlkreis Kassel 3 (Fritzlar, Homberg, Ziegenhain) als Nationalliberaler Abgeordneter im preußischen Abgeordnetenhaus bzw. im Reichstag (des Norddeutschen Bundes).

Während die Geschichte der Berliner (zwischenzeitlich Ost-Berliner) Pergamenturkunde der Reichsverfassung Stoff für durchaus kriminalistische Erzählungen bietet geriet Bernhardis Geschenk an die Bibliothek über die Jahrzehnte hinweg offenbar ebenso ein Stück weit aus dem Fokus der Forschung wie auch die 1848er Revolution selbst.

Zum 140. Jahrestag der Verfassungsurkunde erschien dann 1989 erstmals ein kommentierter Faksimile-Druck der Kasseler Urkunde, in dem auch das Berliner Exemplar Berücksichtigung fand.

Anlässlich der Buchpräsentation gelang es der Bibliothek im Herbst 1989 (kurz vor dem Mauerfall) die beiden erhaltenen Exemplare der Urkunde in Kassel zusammenzuführen.

Anlässlich des 150. Jahrestages der Paulskirchenversammlung wurde die Kasseler Urkunde dann noch einmal im Mai 1998 in einer kleinen Sonderausstellung präsentiert. Ausführlich über die Geschichte des Kasseler Exemplars der Paulskirchenverfassung informiert auch der aktuelle HNA-Artikel von Andreas Hermann: „Seit 1849 sicher in Kassel verwahrt: Original-Exemplar der Paulskirchenverfassung“. 


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